Pflegebedürftigkeit

Wenn die körperliche Mobilität und die eigenen Fähigkeiten einer Person aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen soweit eingeschränkt sind, dass diese auf Hilfe und Unterstützung angewiesen ist, so spricht man in der Regel von Pflegebedürftigkeit. Hierbei handelt es sich insbesondere um Personen, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können. Voraussetzungen für die Zuweisung eines Pflegegrads, dass eine vorliegende Pflegebedürftigkeit mindestens sechs Monate besteht und in einer der in § 15 SGB XI festgelegten Schwere existiert.

Gesetzliche Definition des Begriffs

Die gesetzlichen Kriterien, die den Begriff Pflegebedürftigkeit definieren und bestimmen, gehen aus dem § 14 SGB XI hervor.

Wann gelten Versicherte als pflegebedürftig?

Hauptkriterium ist das Vorliegen einer körperlichen, kognitiven bzw. geistigen Beeinträchtigung, die dazu führt, dass Personen auf Hilfestellung durch andere oder etwaige Hilfsmittel angewiesen sind. Insbesondere hebt der Gesetzgeber sechs Bereiche hervor, die pflegefachlich begründete Kriterien für eine Beeinträchtigung bestimmen. Diese wurden mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) neu definiert und gehen aus dem § 14 Abs. 2 SGB XI hervor:

1. Mobilität:

  • Positionswechsel im Bett oder auf dem Sofa
  • Halten einer stabilen (Sitz-)Position
  • Fortbewegung in der Wohnung
  • Überwindung von Hindernissen auf Böden, wie Treppen

2. Kommunikative- kognitive Fähigkeiten:

  • Wie ist die Orientierung in den Räumlichkeiten?
  • Können zeitliche Geschehnisse eingeordnet werden?
  • Kann der Alltag eigenständig bewältigt werden?
  • Können Risiken und Gefahren erkannt werden?
  • Ist die Beteiligung an Gesprächen problemlos möglich?

3. Verhaltensweisen:

  • Bestehen Auffälligkeiten in Bezug auf das alltägliche Verhalten?
  • Besteht eine nächtliche Unruhe?
  • Zeigt sich ein aggressives Verhalten gegenüber Mitmenschen oder Gegenständen?
  • Ist die Gefühlslage u.a. von Angst, Unlust oder Antriebslosigkeit geprägt?
  • Gibt es weitere inadäquate oder pflegerisch relevante Verhaltensauffälligkeiten?

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4. Selbstversorgung:

  • Kann die Körperpflege und -hygiene eigenständig sichergestellt werden?
  • Wie verhält es sich beim An- und Auskleiden?
  • Können Lebensmittel selbst zubereitet und verzehrt werden?
  • Bedarf es Hilfe beim Ablassen von Urin sowie Unterstützung beim Stuhlgang?

5. Bewältigung von Anforderungen/Belastungen und Umgang mit Erkrankungen:

  • In Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung
  • Kälte und Wärmeempfinden
  • Verbandswechsel und Wundversorgung
  • Bei Nutzung von Abführmethoden wie Katheter
  • In Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung
  • Im Rahmen von Diäten oder therapiebedingten Verhaltensvorschriften

6. Gestaltung des Alltags und soziale Kontakte:

  • inwieweit lässt sich der Alltag problemlos gestalten?
  • Wie verläuft die Beschäftigung mit sich selbst?
  • Wie ist die Planungs- und Umsetzungsfähigkeit von Aktionen?
  • Lässt sich problemlos mit anderen Personen im eigenen Umfeld interagieren?
  • Wie ist die Interaktion mit Personen außerhalb des pflegerischen Umfelds?

Wenn Personen kein Pflegegrad seitens der Pflegekasse zugewiesen wurde, so können sie dennoch pflegebedürftig sein, wenn beispielsweise kleinere Hilfestellungen im Laufe des Tages ab und an notwendig werden. Zwar würde keine gesetzliche definierte Pflegebedürftigkeit bestehen, da das selbstständige Handeln in diesen Fällen nicht außerordentlich eingeschränkt ist, dennoch würde man in solchen Fällen ebenfalls von einer „allgemeinen Pflegebedürftigkeit“ sprechen.

Für die Bestimmung des Pflegegrades werden die individuellen Fähigkeiten einer Person innerhalb dieser sechs Lebensbereiche betrachtet und mit Punkten bewertet.

Wer stellt eine Pflegebedürftigkeit fest?

Werden zum ersten Mal Leistungen aus der Pflegeversicherung beantragt bzw. ein Antrag auf Pflegebedürftigkeit und somit auf die Zuweisung eines Pflegegrads gestellt, so muss dieser an die zuständige Pflegekasse gerichtet werden, die bei der entsprechenden Krankenkassen angegliedert ist.

Privatversicherte müssen ihren Antrag bei ihrem privaten Versicherer stellen.

Im Anschluss beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst, welcher im Rahmen einer Begutachtung beim Versicherten vor Ort, eine Pflegebedürftigkeit feststellt und zudem auch die Schwere der vorliegenden Beeinträchtigung festlegt.

Begutachtung durch medizinischen Dienst

Neben den bereits oben geschilderten sechs Bereichen, wonach sich der medizinische Dienst im Zuge der Begutachtung orientiert, erfolgt die finale Einordnung des Versicherten in einen der fünf Pflegegrade anhand eines Punktesystems:

  • 12,5 bis unter 27 Punkte = Pflegegrad 1 (geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit)
  • 27 bis unter 47,5 Punkte = Pflegegrad 2 (erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit)
  • 47,5 bis unter 70 Punkte = Pflegegrad 3 (schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit)
  • 70 bis unter 90 Punkte = Pflegegrad 4 (schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit)
  • 90 bis 100 Punkte = Pflegegrad 5 (schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen für die pflegerische Versorgung)


Nachdem die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst, der als verlängerter Arm der Sozialversicherungsträger agiert, abgeschlossen wurde, erhält die Pflegekasse die entsprechenden Ergebnisse und erteilt auf Basis dessen einen Pflegegrad oder lehnt den Antrag ab, wenn kein Beeinträchtigung der Fähigkeiten und Selbständigkeit festgestellt wurde.

Welche Leistungen bei Pflegebedürftigkeit?

Pflegende Angehörige oder Menschen, die nach SGB XI pflegebedürftig sind, haben Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung, unter anderen auf:

  • Pflegegeld
  • Pflegesachleistungen
  • Vollstationäre Pflege
  • Teilstationäre Leistungen
  • Kombinationsleistungen
  • Kurzzeitpflege
  • Entlastungsleistungen
  • Wohnraumanpassungen
  • Pflegehilfsmittel
  • Pflegehilfsmittel zum Verbrauch
Das neue Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG sorgte dafür, dass die Pflegesachleistungen um 5 Prozent erhöht wurden.
ab 01.2022AmbulantStationär
PflegegradPflegesachleistungPflegesachleistungTages- und NachtpflegeVollstationäre Pflege
1125 € *125 € *
2316 €724 €689 €770 €
3545 €1.363 €1.298 €1.262 €
4728 €1.693 €1.612 €1.775 €
5901 €2.095 €1.995 €2.005 €
* bis zu 125 Euro monatlich einsetzbarer Entlastungsbetrag

Antrag auf Pflegebedürftigkeit

Der Gesetzgeber erlaubt verschiedene Möglichkeiten der Antragsstellung, wie zum Beispiel formlos per Brief, Fax oder Telefon als auch durch Pflegebedürftige selbst, oder ihre Angehörigen bzw. Nahestehenden. Erst nach Antragsstellung, wird die Pflegekasse tätig, sodass es sich empfiehlt, frühzeitig aktiv zu werden, damit Leistungen ab Antragszeitpunkt zugesprochen werden können.

Welche weiteren Voraussetzungen gelten?

Neben einer durch den Medizinischen Dienst festgestellten Pflegebedürftigkeit, muss der Antragssteller mindestens zwei Jahre in die soziale Pflegeversicherung eingezahlt haben, um Leistungen aus der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen zu können.

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Pflegebedürftigkeit beantragen: Schritt für Schritt

Gesetzlich ist es festgelegt, dass Leistungen aus der Pflegeversicherung ab Antragsdatum gelten, wodurch es sich empfiehlt, einen Antrag umgehend zustellen, sollte der Verdacht auf eine vorliegende Pflegebedürftigkeit bestehen. Wir zeigen die einzelnen Schritte kurz auf:

1. Kontaktaufnahme

Zu Beginn sollte die Pflegekasse, die unter einem Dach mit der Krankenkasse sitzt, kontaktiert werden. Alternativ können sich Versicherte auch an Pflegestützpunkte wenden.

2. Antrag auf Leistungen

Erhärtet sich der Verdacht einer Pflegebedürftigkeit, so muss ein Antrag auf Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung gestellt werden. Dies kann durch Pflegebedürftige selbst, oder deren Angehörige, Nahestehende oder Freunde sowie Bekannte erfolgen.

Gut zu wissen:

Die Antragsstellung bei der Pflegekasse kann formlos per Telefon, Mail, Fax oder Brief erfolgen. Hierbei genügt es, wenn Versicherte den Satz „Ich stelle einen Antrag auf Leistungen der Pflegekasse“ beifügen.

3. Antragsbearbeitung

Sobald der Antrag bei der Pflegekasse eingegangen ist, beauftragt diese den Medizinischen Dienst, zwecks Begutachtung. Hierbei empfiehlt es sich, relevante Unterlagen wie Atteste, Krankheitsberichte und ärztliche Diagnosen sorgfältig zu sortieren, damit diese auf Anfrage stets griffbereit sind.

4. Begutachten

Tätigt der Medizinische Dienst vor Ort beim Versicherten (oder MEDICPROOF bei Privatversicherten) die Begutachtung im Rahmen der Feststellung einer Pflegebedürftigkeit gemäß § 14 SGB XI, so werden auch vergangene ärztliche Befunde und diagnostizierte Krankheitsbilder in der Bewertung miteinbezogen

5. Bewertung

Anhand verschiedener Kriterien werden einzelne Aspekte in Bezug auf körperliche, kognitive oder geistige Beeinträchtigungen bewertet, welche mithilfe eines Punktesystems am Ende Aufschluss über eine vorliegende Pflegebedürftigkeit sowie dessen Ausmaß geben sollen. Anschließend wird das finale Gutachten durch den Medizinischen Dienst an die Pflegekasse des Antragsstellers übermittelt.

6. Bewertung

Auf Basis der Befunde, sowie der daraus resultierenden Punktzahl, welche die Höhe des Pflegegrads bestimmt und damit auch entsprechende Leistungsansprüche gegenüber der Pflegeversicherung festlegt, informiert die Pflegekasse grundsätzlich innerhalb von spätestens fünf Wochen den Versicherten über die Anerkennung oder Ablehnung eines Pflegegrads.

Hilfe und Informationen

In der Regel können sich Versicherte jederzeit Pflegeberaterinnen und Pflegeberater ihrer Pflegekasse sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kontaktieren, oder sich auch an lokale Pflegestützpunkte wenden.Zudem steht Bürgerinnen und Bürgern das Bürgertelefon, welches vom Bundesministerium für Gesundheit beauftragt ist, unter der Rufnummer: 030 / 340 60 66-02, zur Verfügung. Gehörlose und Hörgeschädigte können folgende E-Mail nutzen: info.gehoerlos@bmg.bund.de Privat Versicherte können sich jederzeit an das Versicherungsunternehmen wenden, bei dem sie versichert sind.